Solarpunks sind ihr ein Dorn im Auge

BERLIN – Da will die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU, na klar) doch tatsächlich der dezentralen Energiewende mit dem dicken Besen den Garaus machen 1: Die Förderung für private Solaranlagen auf den Dächern soll gestrichen werden. Begründung? „Neue, kleine PV-Anlagen rechnen sich schon heute im Markt und brauchen keine Förderung mehr.“ Rückwirkend bleibt zwar der Bestandsschutz für Besitzer*innen, aber wer jetzt noch aufs Dach will – Pech gehabt. Da träumt die regierungsnahe Truppe von Lobbyist*innen und Reiche also davon, dass die Dächer nicht mehr mit Solarzellen zugeknallt werden, und das alles, um „Kosten zu sparen“ und den Netzausbau „intelligenter“ zu machen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Grünen schlagen Alarm, verurteilen das als Verhinderung der bürgerlichen Energiewende und rufen zum Widerstand auf. So viel zur „Marktlogik“ von Reiche; in Wahrheit will sie die Energiewende den Großinvestorinnen, der Fossilregierung und den windigen Kapitalknechten überlassen.

Wenn die Dächer in Zukunft leer bleiben, wird’s dunkel

Dass private Solarenergie auf Dächern die umweltfreundlichste und demokratischste Art der Energieproduktion ist, wird hier gnadenlos ignoriert. Die Einspeisevergütung als Anreiz ist politisch umkämpft, weil sie tatsächlich dafür gesorgt hat, dass immer mehr kleine Leute ihre Dächer „vollmachen“ und unabhängig von Konzernen werden. Wenn dieser Anreiz jetzt wegfällt, dann bleibt Reiches Traum Realität: Ein Strommarkt, kontrolliert von ein paar kapitalstarken Playern, die in Anlagen investieren, die aber weit weg von der Basis sind – vom Landwirt bis zum Kommunalaktivisten keine Spur mehr. Die Energiewende wird so zum „Geschäft“ von Profiteuren und schrumpft zum Feigenblatt im grünen Anstrich.

Der Witz schlechthin: Da es Deutsche Unternehmen nicht geschafft haben einen eigenen Markt für „Solarbedarf“ zu schaffen und von den chinesischen Großbetrieben „platt“ gemacht worden sind ist die Antwort von Reiche: Dann soll eben keiner mehr daran Spaß haben. Wir deutschen wollen Atomkraft auf dem Dach, Öl im Keller und Gas… ach lassen wir das lieber.

Diese verquere Logik, dass neue kleine Solaranlagen angeblich keinen Förderbedarf mehr hätten, weil sich „der Markt“ das jetzt schon richten könne, ist nichts weiter als ein satter Schlag ins Gesicht aller, die seit Jahren auf Dächer, Balkone und Garagendächer setzen, um Energie selbst in die Hand zu nehmen. Die Preise für Anlagen und Speicher mögen gesunken sein, aber das ändert nichts daran, dass ohne Förderung gerade die kleinen Player, die sich nicht auf dem globalen Schlachtfeld mit hunderttausend Solarmodulen aus China messen können, sang- und klanglos unter die Räder kommen.

Reiche plant zudem strengere Anforderungen für Betreiber von Wind- und Solaranlagen: Sie sollen sich stärker an den Kosten des Netzausbaus beteiligen und ihren Strom „intelligent“ einspeisen, etwa durch Verknüpfung mit Stromspeichern und Steuerbarkeit. Damit soll das Stromsystem effizienter und kostengünstiger werden. Aktuell sieht Reiche es als veraltet an, dass Betreiber ohne Rücksicht auf das Netz Strom einspeisen.

Energiepolitik oder Kalkül für die Reichen?

Deutschland hat sich nicht nur vom eigenen Produktionsmarkt für Solartechnik auf dem Kreuzweg verlaufen, es hat sich von der chinesischen Sturmflut platt machen lassen. Staatliche Subventionen und eine Industriepolitik, die mehr auf falsche Rücksichtnahme und ineffiziente Regulation setzt als auf wirkliche Förderung und Schutz der heimischen Solarbranche, haben das Feld geräumt. Stattdessen setzt Reiche auf eine „intelligente Einspeisung“ – also mehr Bürokratie, mehr Hürden, mehr Kontrolle. Klingt im Ministerinnenmund nach Fortschritt, ist in Wirklichkeit ein offen gezeigter Mittelfinger gegen jede dezentrale Energiewende von unten.

Reiche verschärft daneben auch noch die Auflagen für Wind- und Solar-Betreiber – sie müssen ihren Strom „intelligent einspeisen“, am Markt teilnehmen, Speicher haben und sich an den Netzkosten beteiligen. Klingt sauber? In Wirklichkeit bedeutet das mehr Bürokratie, mehr Kosten und weitere Hürden, die kleinen und mittleren Akteuren das Leben schwer machen. Eine Energiewende, die nur mit Staatsknete und komplizierten Vorgaben überlebt, wird keine soziale Revolution, sondern ein gemütliches Geschäftsmodell für einige Wenige, die sich an den Netzen eine goldene Nase verdienen.

„Jetzt erst recht!“

Die Grünen legen jetzt ziemlich klar nach. Vizeparteichef Sven Giegold fordert zum Widerstand gegen diese Abwrackpolitik auf. Für ihn darf die dezentrale Energiewende nicht an der Förderung ersticken – ohne Einspeiseprämie sinkt der Anreiz für private und kommunale Akteure, Photovoltaik auf ihre Dächer zu bringen. Die Grünen setzen sich dafür ein, dass die kleinen Solarpunks, die bisher vom Staat nicht im Regen stehen gelassen worden. Sie fordern den Ausbau der erneuerbaren Energien mit Mut und ohne Bürokratiebarrieren, für eine solare Energieversorgung wirklich in Bürger*innenhand – und zwar konsequent. 2

Lasst Balkon, Fensterbank und Dach nicht leer!

Die CDU will eine marktorientierte Energiewende. Klingt schick. Ist in Wahrheit so wie eine Zahnspange: drückt, zieht und macht irgendwie keinen Spaß – aber bezahlt wird sie von den Eltern. In diesem Fall: Wir alle.

Reiches Logik ist so bestechend wie ein brennender Kohletanker: Private Dächer lohnen sich angeblich auch ohne Förderungen, also weg damit. Gleichzeitig dürfen wir aber für „intelligente Netze“ blechen, damit die großen Solar- und Windbarone ihr Filetstück vom Strommarkt bekommen.
Das Dach des kleinen Reihenhausbesitzers? Spielt keine Rolle. Der soll einfach weiter sein Geld an den Energieversorger überweisen – nur mit mehr PR-Glitzer und smarten Buzzwords.

Und weil’s schöner klingt, heißt es dann nicht „Enteignung der Bürgerenergie“, sondern „Effizienzmaßnahmen im Strommarkt“. Effizienz heißt hier: Die Gewinne werden effizient nach oben gepumpt.

Denn genau dort, wo die großen Konzerne ihre klimaschädlichen Schlachtfelder nicht mehr erreichen, entsteht die wahre Macht der Energiewende: im kleinen, dezentralen Photovoltaik-Kampf der vielen Bürger*innen. Es geht um mehr als Sonnenstrom – es geht um Selbstbestimmung gegen die Verwertungslawine der Großindustrie.

Wer unsere Balkone, Fensterbänke und Dächer leer lässt, lädt die Klimakiller ein, den Strommarkt zu industrialisieren und uns aus der eigenen Energiequelle auszuschließen. Reiches Pläne wärmen nur die Taschen der Solargroßinvestoren, während der kleine Haushalt leer ausgeht. Wer jetzt meint, die Förderung für Privatanlagen zu streichen, sprengt damit den letzten Bastion der Bürgerenergie.

Nur: Viele können gerade gar nicht mitkämpfen. Nicht jede*r hat ein eigenes Dach, nicht jede*r wohnt im sonnigen Loft mit Südbalkon. Im Erdgeschoss einer Mietskaserne kannst du so viele Steckdosenkraftwerke träumen, wie du willst – ohne Fläche, ohne Geld und ohne Vermieter-Erlaubnis bleibt’s bei der warmen Glühbirne. Und wer gerade nicht weiß, wie er den Wocheneinkauf stemmen soll, kann sich kein 400-Euro-Balkonkraftwerk hinstellen.

Das durfen wir nie vergessen.

  1. https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/forderung-fur-photovoltaik-auf-dachern-grune-rufen-zum-widerstand-gegen-reiches-solarplane-auf-14160365.html ↩︎
  2. https://www.pv-magazine.de/2025/02/19/serie-wahlprogramme-fit-fuer-die-energiewende-die-gruenen/ ↩︎
compost Magazin
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5 Gedanken zu „Solarpunks sind ihr ein Dorn im Auge“

  1. @redaktion Bildersuche nach Solarpunk spukt Ergebnisse aus, die sehr an Zeugen Jehovas erinnern. xD

    #scnr

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